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Aktuelles Recht:

Mehr Rechte für Pflegeeltern ab 01.09.2009

von Rechtsanwältin Sigrid Pruss  

Das gerichtliche Verfahren in Familiensachen wird grundlegend reformiert. Das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) hat den Bundesrat passiert und tritt am 01.09.2009 in Kraft.

 

Das gerichtliche Verfahren in Familiensachen wird erstmals in einer einzigen Verfahrensordnung zusammengefasst und neu geregelt. Ziel der Änderungen ist es, familiäre Auseinandersetzungen vor Gericht so fair und schonend wie möglich auszutragen. Die Verfahren sollen künftig schneller ablaufen und stärker an einer Einigung der Parteien orientiert sein, um tragbare Lösungen zu erreichen.

 

Beispiele für wichtige Neuerungen in Verfahren in Kindschaftssachen

 

1. Dringliche Kindschaftssachen

 

Dringliche Kindschaftssachen, insbesondere Streitigkeiten über das Umgangsrecht, müssen künftig vorrangig und beschleunigt bearbeitet werden. Die Verfahren sollen zeitnah verhandelt werden. Das Gericht soll den Fall spätestens einen Monat nach Eingang des Antrags mit allen Beteiligten erörtern. Streitigkeiten über das Umgangsrecht sollen künftig schnell entschieden werden, damit der Kontakt zwischen Kind und einem umgangsberechtigten Elternteil aufrecht erhalten bleibt und die Beziehung keinen Schaden nimmt.

 

2. Einvernehmliche Lösungen

 

Grundsätzlich soll das Gericht eine einvernehmliche Lösung des Konflikts suchen, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht. Einvernehmliche Lösungsvorschläge der Eltern muss das Gericht billigen. Falls keine Einigung zustande kommt, muss gegebenenfalls durch eine einstweilige Anordnung entschieden werden.

 

3. Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte der betroffenen Kinder

 

Die Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte des betroffenen Kindes werden verstärkt. Ein Kind, das das 14. Lebensjahr vollendet hat, wird für verfahrensfähig erklärt. Nach § 159 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist ein 14-jähriges Kind in allen Verfahren, die das Kind betreffen, persönlich anzuhören.

 

Kinder ab 14 Jahren steht auch in allen ihre Person betreffenden Angelegenheiten ein selbstständiges Beschwerderecht zu (§ 60 FamFG). Kinder ab 14 Jahren gelten nach § 167 Abs. 3 FamFG in Verfahren betreffend die Unterbringung Minderjähriger stets verfahrensfähig (ohne Rücksicht auf ihre Geschäftsfähigkeit). Greift eine dieser Vorschriften ein, können Kinder ihre Rechte ohne Mitwirkung ihrer gesetzlichen Vertreter geltend machen.

 

Das Gericht kann in schwierigen Fällen dem minderjährigen Kind einen Verfahrensbeistand (nicht zu verwechseln mit dem früheren Verfahrenspfleger) beiordnen. Diese Beiordnung erfolgt, wenn die Kindschaftssache die Person des Kindes betrifft und die Bestellung zur Wahrnehmung der Interessen des Kindes erforderlich ist. Diese Erforderlichkeit wird in der Regel dann gesehen, wenn das Interesse des Kindes zu dem seiner gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz steht, die Eltern beispielsweise ihre eigenen Interessen durchsetzen wollen. Die Beiordnung ist erforderlich, wenn nach §§ 1666, 1666 a BGB teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge in Betracht kommt. Der dritte Fall, dem Kind einen Verfahrensbeistand beizuordnen, den das Gesetz vorsieht, ist, wenn eine Trennung des Kindes von der Person erfolgen soll, in deren Obhut es sich befindet. Des Weiteren nennt das Gesetz diejenigen Verfahren, die die Herausgabe des Kindes, § 1632 Abs. 1, Abs. 3 BGB, oder eine Verbleibensanordnung, §§ 1632 Abs. 4, 1682 BGB zum Gegenstand haben. Eine weitere Erforderlichkeit der Bestellung eines Verfahrensbeistands für das Kind sieht das Gesetz dann vor, wenn ein Ausschluss oder eine wesentliche Beschränkung des Umgangsrechts in Betracht kommt.

 

Die hauptsächliche Aufgabe eines solchen bestellten Verfahrensbeistands ist es, das Interesse des Kindes festzustellen und im Verfahren zur Geltung zu bringen. Der Kindeswille ist deutlich zu machen und in das Verfahren einzubringen. Der Verfahrensbeistand kann zusätzlich Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen eines Kindes führen, um an einer einvernehmlichen Regelung über den Verfahrensgegenstand mitzuwirken.

 

Das 14 Jahre alte Kind hat grundsätzlich ein selbstständiges Beschwerderecht, das unabhängig vom Willen der ihn ansonsten vertretenen Personen ist. Das Kind kann selbst entscheiden, ob es gegen eine Entscheidung des Gerichts Beschwerde eingelegen will oder nicht. Das Gericht hat aus diesem Grund auch die Entscheidung, die es fällt, einem Kind ab 14 Jahren bekannt zu machen, wenn es nicht geschäftsunfähig ist.

 

4. Beteiligung der Pflegeeltern

 

Die Pflegeeltern sind ab sofort an den Verfahren mit den Pflegekindern gemäß § 161 FamFG anzuhören, wenn das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege lebt. Dies gilt nunmehr auch in Verfahren über das Sorgerecht und das Umgangsrecht, was den Pflegeeltern die Möglichkeit eröffnet, eigene Anträge zu stellen. In Verfahren, in welchen die Pflegeeltern beteiligt sind, können sie auch Beschwerde gegen vom Gericht getroffene Beschlüsse einlegen, ferner ihr Recht auf Akteneinsicht durchsetzen.

 

Die tatsächliche Auslegung dieser Vorschrift § 161 FamFG bleibt abzuwarten, da das Gesetz die Rechtstellung etwas einschränkt, indem die Pflegeeltern vom Gericht nur im Interesse des Kindes hinzugezogen werden können und dem Gericht darüber hinaus ein Ermessensspielraum lässt, ob es Pflegeeltern beteiligt oder auch nicht beteiligt.

 

Für Pflegeeltern ist dieses auf jeden Fall interessant, da sie künftig an Verfahren, die das Pflegekind betreffen, beteiligt werden können. Das bietet die Möglichkeit, sich stärker als bisher in Umgangsverfahren einzubringen, da jemand, der als Prozessbeteiligter gilt, eigene Anträge im Verfahren stellen, im Zweifelsfall auch Rechtsmittel einlegen und der Verhandlung beiwohnen kann. Außerdem erhalten alle Verfahrensbeteiligten den kompletten Schriftverkehr im Verfahren. Da die Verfahrensbeteiligung von Pflegeeltern eine Ermessensentscheidung des Familienrichters darstellt, kann jedoch, wenn ein Familienrichter die Pflegeeltern nicht beteiligt, gegen eine solche ablehnende Bescheidung Beschwerde eingelegt werden.

 

5. Vereinfachte Zwangsvollstreckung für Sorge- und Umgangsentscheidungen

 

Sorge- und Umgangsentscheidungen können zukünftig effektiver vollstreckt werden. Bei Verstößen gegen Umgangsentscheidungen kann das Gericht Ordnungsmittel verhängen. Diese können, anders als früher, als Zwangsmittel - nunmehr auch nach Ablauf der Verpflichtung wegen Zeitablaufs festgesetzt und vollstreckt werden.

 

Der Beispielsfall, der stets genannt wird, ist derjenige, dass eine Mutter ein Kind nicht zum getrennt lebenden Vater zum Umgang über Feiertage wie Ostern oder Weihnachten lässt.

 

Nach dem bisherigen Recht konnte ein Zwangsgeld nur verhängt werden, wenn und solange sich die Verpflichtung - Umgang zu den Festtagen - noch durchsetzen lässt, was nach den Feiertagen grundsätzlich ausschied. In Zukunft wird die umgangsverpflichtete Person ein Zwangsgeld auch dann bezahlen müssen, wenn ein Kind entsprechende Umgangstage beim Umgangsberechtigten nicht mehr wahrnehmen kann.

 

6. Einsatz eines Umgangspflegers

 

Eine weitere Erleichterung, die der Gesetzgeber zulässt, ist, einen Umgangspfleger für die Kinder zu bestellen, der bei schwierigen Konflikten den Umgang mit dem umgangsberechtigten Elternteil sicherstellen soll.

 

In akuten Trennungssituationen sind Eltern manchmal nicht in der Lage, die Übergabemodalitäten beim Umgang einzuhalten. Diese Situation kann zukünftig dadurch entschärft werden, dass das Gericht für das Kind einen Umgangspfleger einsetzt. Der Umgangspfleger legt Zeit und Ort der Übergabe des Kindes fest, er holt beispielsweise das Kind vom betreuenden Elternteil ab, übergibt es dem umgangsberechtigten Elternteil und bringt es später zurück.

 
Wünschen Sie weitere Informationen oder möchten Sie einen Termin für eine Erstberatung vereinbaren, dann wenden Sie sich bitte an:
 
Rechtsanwältin Sigrid Pruss
 
Rechtsanwältin Sigrid Pruss Rechtsanwaltskanzlei Sigrid Pruss
Reinhardtstr. 29c
10117 Berlin (Mitte)
Telefon: 030-257 626 32
Fax-Nr.: 
Tätigkeitsschwerpunkte: Familienrecht, Pflegeelternrecht, Erbrecht, Sozialrecht, Arbeitsrecht
Als ausgebildete Mediatorin arbeite ich in einem multiprofessionellen Team, insbesondere in den Bereichen der Erb-, Familien- und Wirtschaftsmediation.
 
Beitrag erstellt am Mittwoch, 3. Juni 2009
Letzte Aktualisierung: Mittwoch, 3. Juni 2009


Verantwortlich für den Inhalt dieses Beitrags: Rechtsanwältin Sigrid Pruss
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